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Spielberichte zur Bundesliga, DFB Pokal und International: Saison 2007/2008

Werder rumpelt sich an Bayern ran

Von MARKUS BALCZUWEIT, DANIELL WESTGATE und ALEXANDER HOLZAPFEL

Der Club verliert mit zehn Mann 0:2 in Bremen. Und hat – nach der siebten Auswärtsniederlage in Folge – bereits drei Punkte Rückstand auf Platz 15. Die schwachen Bremer dagegen rumpeln sich an Bayern ran, haben wie der Rekordmeister 40 Zähler. Und schauen heute interessiert nach Hannover ...

Im Weserstadion schauten anfangs alle auf Tim Wiese. Der Werder-Torwart, der gegen Bayern und Braga drei Elfmeter hielt, sah plötzlich ganz anders aus. Er durfte sein geliebtes lila Elfer-Killer-Trikot nicht anziehen. Zu ähnlich mit den roten Club-Hemden. Stattdessen trug er hellblau. War am Ende egal, da er nix zu halten hatte. Auch Pinolas Drohung („Ich hau’ Wiese einen Elfer rein“) wurde nicht wahr. Wiese: „War ziemlich kalt heute. Da frierst du dir den Arsch ab.“

Nicht nur Wiese, auch Schiedsrichter Meyer brachte Farbe ins Spiel. 19. Minute: Er zeigt Saenko, der einen Freistoß aus nächster Nähe abblocken wollte, Gelb-Rot. Hart, aber gerecht. Und ein Schock für die ohnehin schon geschwächten Nürnberger (ohne sechs Stammspieler). 40 Stunden nach dem Lissabon-Spiel fehlt auch die Konzentration. Wolf leistet sich einen dicken Bock. Mit der Hacke bereitet er unfreiwillig das 1:0 durch Rosenberg vor. Der Werder-Stürmer tunnelt Torwart Blazek – sechstes Saisontor (30.). Wolf frustriert: „Blöd, aber Fehler passieren.“

Beim Club sind es nur leider zu viele Fehler. 81. Minute: Reinhardt läuft neben Klasnic her. Der Kroate erzielt mit einem schönen Kopfball-Heber das 2:0. Der Werder-Joker, der sich zwei Nieren-Transplantationen unterziehen musste, wird begeistert gefeiert.

Wiese im Elfer-Rausch - pariert zwei völlig unberechtigte Elfmeter

Von MARKUS BALCZUWEIT und ALEXANDER HOLZAPFEL

„Wiese für Deutschland!“ Immer wieder schmetterten die begeisterten Fan-Chöre durchs Weserstadion. Weil Werder-Keeper Tim Wiese (26) beim 3:0 über Braga eine Sensations-Leistung ablieferte! Der Bremer hielt zwei Elfmeter in 25 Minuten. Am Sonntag hatte er auch bei den Bayern (1:1) einen Strafstoß von Luca Toni gehalten. Dreimal in vier Tagen pariert – Wiese im Elfer-Rausch!

„Wiese für Deutschland!“ – diese Chöre rauschen auch an Jogi Löw nicht ungehört vorbei. Die irre Wiese-Show in Bremen, sie passte zum tollen Spiel! Werder hatte Chancen für sechs, sieben Tore. Ließ aber auch den Portugiesen mehrfach Raum für beste Gelegenheiten.

Die Bremer mit den „Comebackern“ Owomoyela (nach 9 Monaten) und Fritz (seit Dezember) in der Startelf. Borowski musste anfangs zugucken. „Knalldo“ Naldo ballerte früh einen (haltbaren) Freistoß aus 26 Metern zum 1:0 ins lange Eck (4.). Braga-Ösi Linz erstolperte sich den ersten Elfer, bezeichnend, dass der Ösi nach dem Spiel zugab, das sein kein Elfer gewesen. Schoss selbst, halbhoch nach links, genau wie Luca Toni am Sonntag – und wieder hielt Wiese mit dem linken Arm (11.)!Kurz nach dem platzierten 2:0 von Jensen (27.) wieder Strafstoß für Braga. Matheus prallte nach einem Strafraum-Crash vom aufstehenden Wiese ab, niemals Elfer.

Aber mit einem Wiese im Tor kann’s ruhig öfter Elfer gegen Werder geben... Diesmal versuchte sich Jorginho, rechte Ecke, Wiese fliegt richtig – wieder gehalten, 26 000 rasten, Wahnsinn! Nur eines störte den Elfer-Riesen: Als Werder in der Nachspielzeit einen Elfer bekam, forderten die Fans „Wiese!“. Doch Almeida sollte schießen, knallte das 3:0 rein (90.+4). Werder fährt mit einem guten Vorsprung am 21.2. (Anpfiff 22.30 Uhr!) zum Rückspiel in Braga, würde im Achtelfinale auf den Sieger Glasgow Rangers – Pan. Athen treffen.

Ohne Schiri-Fehler wäre Werder vor Bayern

Von Werder berichten MARKUS BALCZUWEIT, ALEXANDER HOLZAPFEL und KAI TRAEMANN

Werder schäumt vor Wut! Bis zur 68.Minute führten die Bremer 1:0 gegen Bochum. Dann übersahen Schiri Weiner (Giesen) und Assi Voss (Großhansdorf bei Hamburg) vor dem Ausgleich (Tor: Auer) trotz guter Sicht das glasklare Abseits von VfL-Japaner Ono. Das Gespann hatte Werders Abwehr-Star Mertesacker als Passgeber vermutet...

abseits!!!

Sportchef Klaus Allofs sauer: „Eine der krassesten Fehlentscheidungen, die ich je erlebt habe.“ Geschäftsführer Manfred Müller tobte: „Das kann nicht wahr sein. Der Assistent ist auch noch ein Hamburger...“ Schiri-Lehrwart Eugen Strigel bat Voss gestern bereits zur Unterredung.

Werders zweite Pflichtspiel-Pleite in Folge ist ein schwerer Rückschlag im Titelkampf. Schon nach dem 3:4 in Hannover hatte sich Bremen über die Leistung von Schiri Stark beschwert. Sie fühlen sich nun erneut verschaukelt. Zu Recht? Die Internet-Seite www.wahretabelle.de errechnet den Tabellen-Stand OHNE Schiri-Patzer! Ergebnis: Werder drei Punkte vor den Bayern!

Torwart Tim Wiese: „Diese Tabelle finde ich sehr interessant.“ Sportchef Allofs sieht sich bestätigt: „Wir haben nicht gerade das Gefühl, dass wir bevorteilt werden.“

In dieser Saison wurden den Bremern fünf (!) Elfmeter verweigert, dazu kassierte Werder insgesamt drei unberechtigte Gegentreffer (alle Abseits).

Der verletzte Nationalspieler Torsten Frings: „Solche Fehler können uns den Titel kosten. Das Ding gegen Bochum war schon eine Frechheit. Das deutlichste Abseits-Tor, das ich in meiner Karriere gesehen habe. So etwas nicht zu pfeifen - das ist schon traurig!“

Stark von Weiner: Trotz Mega-Panne stellte er sich. Der Schiri selbstkritisch: „Eine Entschuldigung wäre angebracht. Man möchte im Erdboden versinken.“

Werder weint! Hinten betrogen, vorne zu blöd

Von CHRISTOPH SONNENBERG, JÖRG ZSCHOCHE und MARKUS BALCZUWEIT

Werder patzt sensationell! Eine Woche vor dem Gipfel-Knaller bei Spitzenreiter Bayern vergeigen die Bremer zu Hause gegen Bochum – 1:2! Der erste VfL-Sieg an der Weser in der Bundesliga-Geschichte. Statt punktgleich zu sein, hechelt Werder den Münchnern (drei Punkte Vorsprung) hinterher, muss am Sonntag auch noch auf Verteidiger Naldo verzichten, der wegen Notbremse an Sestak Rot sieht (70.).

Werder weint! Vorne zu blöd – und hinten betrogen! Rosenberg hätte Werder zum Sieg schießen müssen. Doch er vergab beste Chancen – und verlor auch ein Kopfball-Duell gegen Maltritz. Bevor Verteidiger Yahia höher als Nationalspieler Borowski steigt und nach Ono-Ecke aus drei Metern den Siegtreffer köpft (84.), schenkt Schiri Weiner den Gästen den Ausgleich! Vor dem 1:1 durch Auer (68.) steht Vorbereiter Ono (erstes Liga-Spiel für den Japaner) eineinhalb Meter im Abseits. Weder Weiner noch sein bestens postierter Assi Voss sehen’s. DFB-Sportdirektor Sammer im Premiere-Studio: „Eine glasklare Fehlentscheidung.“

Schiri Weiner echt zum Weinen! Er ahndet u.a. ein Handspiel von Rosenberg nicht (81.), übersieht eine Tätlichkeit von Wiese, der nach einem Zusammenprall mit Sestak am Boden liegend nachtritt (36.). Werder aber auch selbst Schuld! Vorne trifft nur der Däne Jensen aus 15 Metern in den Winkel (44.). Hunt knallt an die Latte (57.). Der Rest wird verballert – oder von VfL-Keeper Lastuvka entschärft. Werder weint. Und Bayern lacht...

Schöne Bescherung: Feiern darf nur Werder

Von TONI SCHUMACHER

Wer sich aus dem Fenster lehnt, kann auch schon mal rausfallen und abstürzen…letzte Woche war ich mir noch sicher: Bayer Leverkusen gewinnt in Bremen und gehört wieder zum Kreis der absoluten Spitzenklubs in Deutschland. Weil man einen Torwart der Zukunft hat. Nix war's mit meiner Prognose, meinem Bauch-Gefühl.

Leverkusen wurde von Werder ganz schön vermöbelt, Adler ist verletzt, drei Wochen Pause. Stattdessen habe ich den wahren Herbst- oder Wintermeister gesehen: Werder Bremen. Punktgleich mit den Millionen-Bayern, 1 Sieg mehr auf dem Erfolgskonto, 11 Tore mehr geschossen als der Mega-Sturm aus München.

An der Weser wird seit Jahren konstant gearbeitet. Erfolgreich. Mit Augenmaß und Ruhe. Rückschläge wie das Champions-League-Aus werden nicht zum internen Desaster. Die Mannschaft antwortet auf krisen-ähnliche Niederlagen stets direkt. Mit Kampf, Spielkunst, Toren und Siegen.

Irgendwie habe ich den Eindruck: Werder ist das wirkliche Fußball-Modell der Liga. Nicht seit dem 5:2 über Leverkusen, eigentlich schon immer, schon seit Otto Rehhagel. Trainer Thomas Schaaf kann seine Fußball-Philosophie leben und arbeiten, ohne dass Momentaufnahmen seine Planung, sein Ansehen gefährden, ihm das Vertrauen entzogen wird, nur weil mal ein paar Wochen Sand im Spielgetriebe ist.

Unterstützt von meinem ehemaligen Mannschaftskameraden Klaus Allofs als Manager. Der holt immer einen Superstar, den keiner kennt, keiner auf dem Zettel hat. Vor Jahren Claudio Pizarro und Ailton, dann Johan Micoud und Valerien Ismael, jetzt Diego.

Das System Werder funktioniert perfekt. Es wird akribisch gewirtschaftet, fanatisch gearbeitet und Menschlichkeit gelebt. Deshalb gibt es ein kleines Fußball-Wunder wie Ivan Klasnic auch nur in Bremen. Trotz vieler Rückschläge, trotz Ärzte-Stress. Klasnic wurde nie fallen gelassen, gab sich selbst nie auf und hat den Weg zurückgefunden - ein echtes Weihnachtsmärchen.

Dafür brennt bei Bayern der Christbaum! Auch wenn Uli Hoeneß nach dem fünften Torlos-Unentschieden in der Hinrunde auf Versöhnungskurs mit sich selbst und seinem Klub ging: "Wir sollten auch mal zufrieden sein." Dabei sah mein Freund Uli aber so grimmig aus, als ob er mit seinem Erzfeind Willi Lemke Heiligabend verbringen müsste…mein Eindruck: Die Bayern-Bosse halten den selbst aufgebauten Druck, den sie mit den Millionen-Transfers entwickelt haben, diesmal als erste nicht aus. Nicht die Spieler, die Führungs-Mannschaft verliert die Nerven. Mit der Brechstange wollten sie die Liga verprügeln, schocken und auf Distanz gehen, nur die Großen des internationalen Fußballs als Messlatte vor Augen: Real, Milan, Barca, ManU.

Die adventliche Bestandsaufnahme: Werder ist in allen Belangen auf Augenhöhe, die Meisterschaft wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bei Werder erkenne ich eine ganze Reihe von Charakteren, die Meister "werdern" wollen. Uli Hoeneß kann schon mal seinen Wunschzettel schreiben, Klaus Allofs hat sicher schon wieder Nachfolger parat.