Saison 2011/12
Vorbereitung
Werder sah sich schon in der Vorbereitungszeit mit einer Situation konfrontiert, die man schon aus den vergangenen Jahren zur Genüge kannte: Einer fast schon unglaublichen Verletztenmisere. Werder hatte zeitweise zehn oder mehr Langzeitverletzte zu beklagen:
- Naldo mit einem Kochenödem - seit mehr als zwölf Monaten
- Sebastian Prödl wegen einer Verletzung am Gesässmuskel - seit mehr als vier Monaten
- Sebastian Boenisch aufgrund eines Knorpelschadens – seit 10 Monaten (noch bis Oktober 2011)
- Per Mertesacker mit einer Fersenverletzung – seit Saisonende 2010/11
- Claudio Pizarro mit einem Innenbandris bei einem Vorbereitungsspiel auf die Copa America – seit Mitte Juni 2011
- Tim Borowski (Fussverletzung)
- Mehmet Ekici (Adduktorenprobleme)
- Mikael Silvestre (Knorpelschaden)
- Denni Avdic (Beckenschmerzen)
- Onur Ayik (Kreuzbandriss)
Besonders prekär war die Situation in der Innenverteidigung, wo kein einziger gesunder Innenverteidiger (ausser Amateuren) zur Verfügung stand. Während der Vorbereitungszeit allenfalls sehr unvorteilhaft, für den offiziellen Start in die Saison eine absolut unhaltbare Situation, weshalb sich Klaus Allofs gezwungen sah, den Markt nach Verstärkungen zu sondieren. Zuvor hatte sich Thomas Schaaf eindringlich für Verstärkungen ausgesprochen, andernfalls Werder seine Saisonziele (Internationale Plätze) korrigieren müsse. Obwohl Thomas Schaaf seine Forderung nach Verstärkungen in sehr gemässigter Weise vorbrachte, musste man dies trotzdem als aussergewöhnlichen Vorfall einschätzen, nie zuvor hatte Schaaf dies in einer solchen Dringlichkeit gefordert.
Bei Werder hatten sich aber anderweitig Veränderungen ergeben: Eigentlich wollte man nach der katastrophalen letzten Saison mit Platz 13 wieder oben angreifen. Aber für neue Spieler geschweige denn "Stars" schien anscheinend komplett das Geld zu fehlen. Ohne Teilnahme an der Champions League fehlten Werder 25 Mio. Euro in der Kasse. Die Spieler verdienten aber weiterhin auf Champions League-Niveau, hinzu kam der teure Stadionumbau (insgesamt 76,5 Mio), was dazu führte, dass in der Kasse nicht gerade Überschuss herrschte. Obwohl Grossverdiener wie Frings und Jensen schon nicht mehr auf der Gehaltsliste standen, war Werder klamm, nach etlichen Jahren mit Champions-League, Europa League, Erfolgen im DFB-Pokal, sicherlich guten Zuschauer- / TV-Einnahmen und auch guten Transferüberschüssen.
Erläuterung zum Weserstadion: Trägerschaft des Weserstadions ist zwar nicht Werder selber, sondern die Bremer Weser-Stadion GmbH, Werder ist aber an der GmbH beteiligt. Folgerichtig führt ein teureres Stadion auch für Werder zu höheren Kosten.
Die angespannte finanzielle Situation rief Aufsichtsrats-Boss Willi Lemke auf den Plan. Er forderte eine ausgeglichene Bilanz, sperrte sich insbesondere dagegen, das ohnehin schon überzogene Budget zugunsten weiterer Spielerverpflichtungen weiter zu belasten. Lemke forderte eine Veränderung der Haushaltslage: Entweder durch den Verkauf von Spielern oder etwa einen neuen Sponsor. Nach intensiven Beratungen der dreiköpfigen Geschäftsführung mit vier der sechs Aufsichtsräte einigte man sich dennoch auf die Verpflichtung von Sokratis Papastathopoulos (23, Innenverteidiger) vom FC Genua (Ausleihe für ein Jahr mit Kaufoption). Dieser Deal hatte sich zuvor über Wochen hingezogen. Bereits zuvor hatte man Nürnberg-Kapitän Andreas Wolf (29, Innenverteidiger) ablösefrei zu Werder geholt. Zusätzlich auf dem Einkaufzettel stand Aleksandar Ignjovski. Das vielseitige Talent hatte zuvor bereits den sportlichen Eintrittstest bestanden, wie aber auch bei Papastathopoulos zog sich der Vertragsvollzug aufgrund der eingangs geschilderte Lage lange hin.
Hinrunde
Werder startete am Samstag 30. Juli 2011 offiziell in die Saison 2011/2012, im DFB-Pokal beim Drittligisten 1. FC Heidenheim. Der Start in die Saison missriet auf der ganzen Linie, Werder verlor blamabel mit 2:1 und schied damit schon in der ersten Runde des DFB-Pokals aus. Dem Pokalschock beim Drittligisten 1. FC Heidenheim folgte aber der gelungene Bundesliga-Start. 2:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern, der erste Auftakterfolg in die Bundesliga seit fünf Jahren. Bereits am dritten Spieltag folgte ein Spektakel wie zu alten Zeiten. Das 5:3 über den SC Freiburg bedeutete den 700. Bundesliga-Sieg der Club-Geschichte, ein Spiel der Marke "Werder-Wahnsinn". Am 4. Spieltag gelang ein 2:1 in Hoffenheim, Werder sprang auf Platz zwei der Tabelle. Nur drei Tage später wurde Kapitän Per Mertesacker für elf Millionen Euro an den FC Arsenal verkauft, ein Verkauf der auch auf der angespannten finanziellen Situation beruhte. Am 5. Spieltag gelang ein besonders schöner Sieg: 2:0 gegen den Erzrivalen Hamburger SV durch zwei Tore von Pizarro. Die Werder-Welt schaute zu diesem Zeitpunkt rosig aus, der besondere Gänsehaut-Moment im Spiel: Naldo feierte nach 16 Monaten sein Comeback. Pizarro gab nach diesem Sieg Platz eins als Saisonziel aus. Aus dem sechsten Spiel resultierte ein Unentschieden gegen Nürnberg und eine rote Karte für Wiese nach einer Notbremse weit ausserhalb des Strafraums. Mehmet Ekici sollte in diesem Spiel seinen einzigen Saisontreffer erzielen. Am 7. Spieltag traf man gegen neun Herthaner erst in der dritten Minute der Nachspielzeit zum 2:1. Thomas Schaaf wurde zum ersten Mal nach neun Jahren auf die Tribüne verwiesen. Klaus Allofs mahnte zu diesem Zeitpunkt kühlen Kopf zu wahren, da alle zuvor errungenen Siege am seidenen Faden hingen. Am 9. Spieltag setzte es die erste Heimpleite der Saison mit 0:2 gegen Dortmund, was einen Absturz von Rang zwei auf Platz fünf in der Tabelle zur Folge hatte. Es folgte ein schwaches 1:1 beim Aufsteiger FC Augsburg. Am 12. Spieltag ereignete sich aus Werder-Sicht die Aufholjagd der Saison: Einen 0:2-Rückstand gegen den 1. FC Köln verwandelte Claudio Pizarro mit drei Toren in einen 3:2-Sieg. Allerdings hatte Werder im sechsten Spiel in Folge das 0:1 kassiert. Die gefeierte Aufholjagd sollte allerdings eine grausame Auswärtsserie einleiten. Am 13. Spieltag: folgte das Spitzenspiel Vierter gegen Dritter in Gladbach. Doch Spitze war nur die Borussia, deklassierte überforderte Bremer mit 5:0. Das nächste Heimspiel gegen Stuttgart konnte mit 2:0 gewonnen werden, anschliessend setzte es aber mit dem 1:4 bei den Bayern die nächste Packung. Aaron Hunt sah schon als dritter Bremer die Rote Karte. Werder hatte aber was Auswärtspackungen angelangt noch nicht genug, 0:5 am 17. Spieltag auf Schalke, Werder ging blamiert und als Tabellenfünfter in die Winterpause. Drei Tage nach der peinlichen Pleite verlängerten Klaus Allofs (bis 2015) und Trainer Thomas Schaaf (bis 2014) ihre Verträge.
Rückrunde
Das erste Spiel der Rückrunde brachte ein enttäuschendes 0:0 gegen Kaiserslautern. Noch schlimmer, Verteidiger Sebastian Prödl brach sich bei einem unbeabsichtigten Tritt ins Gesicht eines Lauterer-Spielers gleich mehrere Knochen. Werder musste im Anschluss noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden, lieh Sandro Wagner nach Lautern aus, verkaufte Andreas Wolf an den AS Monaco und holte im Gegenzug Francois Affolter und Zlatko Junuzovic nach Bremen. Gegen Leverkusen am 19. Spieltag resultierte ein 1:1, Trainer Thomas Schaaf wollte danach "wunderbare Dinge" gesehen haben. Am 21. Spieltag wurde Wesley für sechs Millionen zu Palmeiras Sao Paulo verkauft, immerhin konnte dadurch das Transferminus einigermassen in Grenzen gehalten werden. Die Ergebnisse die Werder erzielte waren allerdings weniger erfreulich, das 1:1 gegen Hoffenheim war bereits das vierte Remis in Folge. Im Derby gegen den HSV am 22. Spieltag zeigte Werder das beste Spiel der Rückrunde, 3:1-Sieg in Hamburg. In der Folge spielte Werder wieder einmal Aufbaugegner, es setzte eine peinliche 0:1 Niederlage am 24. Spieltag gegen die krisengeplagte und abstiegsgefährdete Hertha, ein Geschenk an den Ex-Werder-Trainer Otto Rehhagel zu dessen Heim-Debüt als Berliner Coach. Klaus Allofs nannte die Partie im Anschluss ein "Katastrophenspiel". Im nächsten Spiel gegen Hannover 96 konnte sich Werder noch einmal aufraffen, das 3:0 gegen Hannover 96 war erst der zweite Sieg in der Rückrunde - es sollte der Letzte gewesen sein. Pizarro wurde im Anschluss durch TV-Beweis für zwei Spiele gesperrt. Erste Gerüchte über ein Interesse Bayern Münchens an dem Torjäger kamen auf. Am 26. Spieltag verlor Werder mit 0:1 gegen Dortmund, im Heimspiel gegen Augsburg wurde nur ein 1:1 erreicht, umso ärgerlicher weil Augsburg das 1:1 erst in der zweiten Minute der Nachspielzeit erzielte. Am 28. Spieltag musste Werder auswärts gegen Mainz antreten und bot eine indiskutable und peinliche Vorstellung. 0:3 lautete das Schlussresultat, Werder fiel in der Tabelle aus der Euro-Zone, Sokratis fällte im Anschluss ein vernichtendes Urteil: "Wir sind keine Mannschaft!" Torhüter Tim Wiese verkündete seinen Abschied zum Saisonende. Im nächsten Spiel auswärts gegen Köln konnte auch nur ein 1:1 erzielt werden, für Werders internationale Ambitionen eindeutig zu wenig. Die Partie gegen Stuttgart am 31. Spieltag wurde von Werder als "Euro-Endspiel" hochstilisiert, Werder aber liess sich auskontern, verlor trotz 1:0-Führung mit 1:4. Werder drohte jetzt akut die zweite Saison in Folge ohne Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb. Das erlebten die Grün-Weissen, die sich in diesem Spiel mehrheitlich als Europapokal-untauglich präsentierten, zuletzt vor 30 Jahren. Das Heimspiel gegen die Bayern am 32. Spieltag ging durch einen Last-Minute-Treffer mit 2:1 verloren. Naldo hatte zuvor erst ins richtige, dann ins falsche Tor getroffen. Der 33. Spieltag war für Werder zumindest aus finanzieller Sicht ein guter Tag. Vor dem Spiel gab Klaus Allofs den Verkauf von Marko Marin zum FC Chelsea bekannt. Im Spiel gegen Wolfsburg hingegen liess sich die Mannschaft wie schon in Stuttgart auskontern, verlor mit 1:3. Der 34. Spieltag: 2:3 gegen Schalke – mit der vierten Pleite in Folge verabschiedete sich Werder aus der Saison. „Gott sei Dank, es ist vorbei“, sagte Kapitän Clemens Fritz nach dem Ende des Spiels und der Saison.
Saisonbilanz
Gruselig, im DFB-Pokal in der ersten Runde ausgeschieden, international nicht vertreten, in der Liga schloss Werder die Saison auf Platz neun ab. Die Rückrunde mit lediglich 13 Punkten war die Schlechteste des Vereins seit Bestehen in der Bundesliga. Bedingt durch zahlreiche Verletzungen über die ganze Saison hinweg stand am 24. März 2012 die jüngste Startelf der Vereinsgeschichte (Altersdurchschnitt 22,7 Jahre) auf dem Spielfeld. Dass Werder ein Umbruch bevorstand zeigte sich schon kurz vor dem Anpfiff, denn der Verein verabschiedete vor dem letzten Saisonspiel gleich ein halbes Dutzend seiner Spieler: Tim Borowski, Markus Rosenberg und Tim Wiese, die in der Startelf standen, sowie Marko Marin, Mikael Silvestre und Lennart Thy. Später gab auch noch Claudio Pizarro nach monatelanger Bedenkzeit seinen Weggang bekannt.