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Spielberichte zur Bundesliga, DFB Pokal und International: Saison 2010/2011

Werders irre Aufholjagd

Von M. BALCZUWEIT und B. MILANI

Wieder mal ein irrer Werder-Auftritt in Europa! Die Bremer schienen beim Auftakt der Champions League nach 18 Minuten gegen Tottenham schon geschlagen – 0:2! Doch dann drehen sie das Ding gegen die Engländer zum 2:2! Sky-Experte Jens Lehmann hatte es vorher geahnt: „Wenn Werder international spielt, ist immer was los.“ What a wonderful Aufholjagd der Bremer!

Almeida und Hunt treffen beim ersten Auftritt der Norddeutschen in der Königsklasse nach 643 Tagen. Torschütze Marin: „Mit dem Punkt können wir leben. Wir sind noch mal toll zurück gekommen.“ Dabei geht’s für die Bremer gleich los mit einem echten Tottenhammer: Fritz lässt sich von Bale überlaufen. Pasanen stürzt sich vor Crouch in die Flanke – und befördert den Ball ins eigene Tor. 0:1 (12.)! Ex-Nationaltorwart Lehmann kreidet das Tor Keeper Wiese an, weil die Hereingabe direkt vors Tor ging: „Da muss er mutiger sein.“

18. Minute: Sturm-Riese Crouch (2,01 m) springt höher als Pasanen, köpft eine Flanke von van der Vaart rein. Autsch! Das 0:2! Aufregung in der 27. Minute: Huddlestone blockt im Strafraum einen Marin-Schuss mit dem Arm ab. Hätte Elfer geben können... 43. Minute: Almeida köpft aus 5 Metern eine schöne Wesley-Flanke rein. 1:2!

Sportchef Allofs in der Halbzeit: „Bis kurz vor der Pause waren wir einfach nicht drin im Spiel. Ich hoffe, dass wir das Ding noch drehen.“ Und so kam es auch! Marin trifft aus 18 Metern flach (47.). Zwei Minuten später muss van der Vaart mit einer Wadenverletzung runter. Werder in der zweiten Halbzeit klar besser. Doch ein Marin-Schuss landet am Außennetz (66.), Hunt knallt aus acht Metern drüber (73.).

Starke Bremer holen Punkt in München

Ein Duell mit vielen Torchancen auf beiden Seiten – sehenswerter Fußball zum 65. Geburtstag von Kaiser Franz Beckenbauer. Werder empfängt Tottenham Hotspur am Dienstag nach einem ordentlichen Auftritt mit Selbstvertrauen. Bei den Bremern  erstmals die Neueinkäufe Wesley und Silvestre dabei. Der Brasilianer – in der Özil-Rolle hinter der einzigen Spitze Arnautovic – machte ein starkes Spiel, war pausenlos unterwegs. Silvestre links in der umgebauten Abwehr (ohne Mertesacker, Naldo) mit einigen Wacklern, er löste viel mit seiner Erfahrung (vorher war er u.a. bei ManU, Arsenal).

Nach einer Freistoßflanke von Marko Marin köpfte Sebastian Prödl den Ball an den linken Pfosten, von wo das Spielgerät an den rechten Fuß von Torhüter Jörg Butt und an die Latte prallte - und schließlich in Butts Arme fiel. Beckenbauer fühlt sich nicht umsonst als „Glückskind”. Die kuriose Prödl-Szene weckte die Bayern, nun übernahmen sie die Kontrolle. Der gut aufgelegte Franck Ribery scheiterte aber zweimal an Werder-Torwart Tim Wiese, der auch gegen Thomas Müller parierte. Werder mit den Debütanten Mikael Silvestre und Wesley blieb gefährlich, Butt lenkte einen Schuss von Marin mit Mühe um den Pfosten. Insgesamt versäumten es die Bayern in der ersten Halbzeit aber, die nach den Ausfällen von Per Mertesacker und Naldo neuformierte Bremer Abwehr noch stärker unter Druck zu setzen. Werder machte die Räume seinerseits geschickt eng, auch der eigentlich offensive Wesley engagierte sich dabei.

Werder auch ohne den verletzten Pizarro immer torgefährlich. In einer jetzt offeneren Partie verlegte sich Werder, das seit November 2005 nicht mehr in München verloren hatte, weitgehend aufs Kontern. Hunt hämmerte knapp drüber (52.), Marko Arnautovic hätte auf diesem Wege beinahe die Führung erzielt, doch Butt war wachsam (64.). Kurz zuvor war Ribery nach tollem Solo an Wiese gescheitert. Der Torhüter war bei einem Weitschuss von Kroos erneut zur Stelle. Bei der besten Bremer Chance schob der für Wesley gekommene Ex-Bayer Tim Borowski nach schöner Vorarbeit von Marin den Ball neben das Tor (70.).

Erste Sternstunde von Astronautovic

Von M. BALCZUWEIT und M. FRANK

Dieser Typ ist eine echte Tor-Rakete! Werder-Neuzugang Marko Arnautovic (21) lässt den peinlichen 1:4-Saisonauftakt in Hoffenheim vergessen – und knallt Köln beim 4:2-Heimsieg fast im Alleingang in den Tabellenkeller. Der Ösi macht zwei Tore und legt eins auf. Erste Sternstunde von Astronautovic! So nennen ihn die Bremer Fans bereits, weil sie davon ausgehen, dass er in dieser Saison voll durchstartet und der neue Star an der Weser wird. Dabei gab’s vor der Saison Probleme. Dem 6,5-Mio-Einkauf von Twente Enschede wurde Egoismus und Null-Bock-Einstellung vorgeworfen. Arnautovic: „Ich habe eine Mannschaft, die mir hilft. Ich bin jung, habe manchmal meine Aussetzer. Ich kann noch mehr, ich bin noch nicht in Bestform.“ Sportchef Allofs: „Jetzt weiß man, was in ihm steckt. Er kann außergewöhnliche Dinge.“

Mit einem 4:2 (2:1) gegen den 1. FC Köln hat Werder Bremen einen Fehlstart in die Fußball-Bundesliga  noch einmal abgewendet. Ein von Torsten Frings verwandelter Foulelfmeter in der 33., Treffer von Marko Arnautovic (36./90.+1) sowie von Hugo Almeida (74.) bescherten den Hanseaten eine Woche nach der 1:4-Schlappe bei 1899 Hoffenheim den ersten Dreier der neuen Saison.

Vor 35.500 Zuschauern im ausverkauften Weserstadion wackelte die ersatzgeschwächte Deckung der Gäste schon in der ersten halben Stunde mehrfach. Eine gute Einschussmöglichkeit für die Hanseaten vergab schon in der dritten Minute Arnautovic nach guter Vorarbeit von Claudio Pizarro, der verletzungsbedingt in der 40. Minute durch den späteren Torschützen Hugo Almeida ersetzt werden musste. In der 26. Minute verzog Mittelfeldspieler Philipp Bargfrede aus 14 Metern Entfernung nur knapp. Die Rheinländer beschränkten sich weitgehend auf die Defensivarbeit und brachten das Tor der Norddeutschen lange nicht ernsthaft in Gefahr.

Entgegen den Erwartungen bei den Gastgebern konnte der in der vergangenen Woche verpflichtet Brasilianer Wesley noch nicht sein Debüt im Werder-Trikot geben. Die Spielberechtigung für den Südamerikaner lag nicht rechtzeitig vor.

Auch nach dem Seitenwechsel dominierten die Gastgeber den Verlauf der Begegnung. Vier Tage nach der erfolgreichen Qualifikation für die Gruppenphase der Champions League bei Sampdoria Genua war den Bremern auch von der dafür erforderlichen Verlängerung konditionell nichts anzumerken. Der Österreicher Arnautovic und Marin waren die besten Akteure beim SV Werder, der erneut den am Knie verletzten Innenverteidiger Naldo ersetzen musste.

Werder-Wahnsinn - Last-Minute-Treffer!

WAS FÜR EIN EURO-THRILLER! Werder hat es wieder geschafft. Tor-Held Claudio Pizarro (100.) schießt Werder in der Verlängerung in die Champions League. Ein 2:3 im Rückspiel (Hinspiel 3:1) bei Sampdoria Genua reicht den Bremern für die Champions-League.

Was für ein Spiel! Markus Rosenberg ballert die Bremer überhaupt erst in der zweiten Minute der Nachspielzeit in die Verlängerung. Trainer Thomas Schaaf: „Ich weiß nicht, woran es lange gelegen hat. Wir hatten lange kein Gegenmittel gegen Genua. Noch haben wir unseren Rhythmus nicht gefunden. Aber wir haben zwei interessante Partien gegen Genua gesehen. Ein Spiel geht nun einmal über 90 Minuten.“ Werders Vorsprung aus dem Hinspiel ist schon nach 13 Minuten weg. Genua-Stürmer Pazzini, der schon im Hinspiel den Anschlusstreffer in der Schlussminute erzielt hatte, verwandelt das mit 36.536 Zuschauern ausverkaufte Stadion Luigi Ferraris mit einem Doppelschlag in ein Tollhaus. Erst köpft er eine Cassano-Flanke am langen Pfosten ein (8.), ist schneller als Werders Pasanen. Dann schläft Werder-Fritz, Pazzini ballert den Ball volley in die Maschen - 2:0!

Werder 90 Minuten harmlos. Ohne den verletzten Naldo wackelt die Abwehr. Ohne Real-Star Özil fehlt lange der Kopf im Mittelfeld. Özil-Ersatz Hunt sitzt grippegeschwächt in Bremen. Im Sturm fehlt Almeida. Trainer Thomas Schaaf hat nur noch 14 Feldspieler. Überraschend sitzt 7-Millionen-Mann Arnautovic auf der Bank. Jung-Star Sandro Wagner (22) stürmt mit Claudio Pizarro. Werder lange am Boden, Cassano erhöht fünf Minuten vor Schluss auf 3:0 für Genua. Doch wie aus dem Nichts trifft plötzlich Bremens Joker Markus Rosenberg (72. für Wagner, der mit blutender Platzwunde vom Feld musste). Rosis 18-Meter-Schuss mit rechts schlägt in der zweiten Minute der Nachspielzeit (!) unten links ein - 3:1, die Verlängerung. Dann trifft Werder-Held Pizarro in der 100. Minute zum 2:3. Werder in der Champions League!

Werder 1. Letzter

Was für ein bitterer Saisonstart für Werder Bremen! Zum 4. Mal in Folge kein Bremer Sieg am 1. Spieltag. Aber so peinlich wie in Hoffenheim haben sich die Norddeutschen in den letzten Jahren selten präsentiert. Hoffenheim nicht nur effektiver und spritziger – sondern auch motivierter und taktisch eine Klasse besser als die Bremer. Werder zum 1. Mal seit acht Jahren wieder Tabellenletzter der Bundesliga! Trainer Thomas Schaaf fassungslos: „Wir haben ein schlechtes Spiel abgeliefert. Wir haben nach dem 1:0 aufgehört Fußball zu spielen. Die Präsenz und das Selbstbewusstsein, was uns zuletzt ausgezeichnet hat, war nicht zu sehen. Wir waren nicht bereit, Wege zu gehen.“ Werder Letzter. Weil die launische Liga-Diva einfach nicht dazulernen will?

In Hoffenheim sorgten wieder die gleichen Probleme für den Untergang, die Bremen schon seit Jahren nicht beheben kann. Zu wenig Niveau auf den Außenbahnen, vor allem Pasanen auf links offensiv fast unsichtbar, dazu die viel zu offene Abwehrreihe. Hoffenheim führte Werders Defensive bei allen vier Toren vor, Mertesacker und Prödl (muss wochenlang den verletzten Naldo vertreten) liefen grundsätzlich hinterher. Dazu fehlt nach Özils Abgang (für 18 Mio Euro zu Real Madrid) das Überraschungsmoment im Mittelfeld – Aaron Hunt, der Özil ersetzen soll, wurde nach einer unterirdischen und ideenlosen ersten Hälfte von Trainer Schaaf ausgewechselt. Ösi-Neuzugang Arnautovic, der früh für den verletzten Almeida kam, blieb danach jeden Beweis seiner Riesen-Ablöse (6,5 Mio Euro an Twente Enschede) schuldig.

Mit einer Bundesliga-Spitzenmannschaft, auch mit der Einstellung einer solchen, hatte der ideenlose Bremer Auftritt in Hoffenheim rein gar nichts zu tun. Erschreckend: Nach Wiederanpfiff gab’s kein Aufbäumen auf Bremer Seite, Hoffenheim spielte den Kantersieg ohne Probleme leicht und locker nach Hause. Schaaf kritisch: „Wir müssen diesen Auftritt hinterfragen, man muss sich einfach anders anstellen.” Jetzt ist Werder der 1. Letzte der neuen Saison. Dienstag geht’s in der CL-Quali nach Genua, wo nach dem 3:1 im Hinspiel eigentlich nichts mehr anbrennen sollte. Nach dem Auftritt in Hoffenheim steht das aber mehr denn je in Frage…